Radentscheid · Umsetzung

Warum uns der Transparenzbericht 2023/2024 zum Radentscheid enttäuscht

Die Stadt Bonn hat Mitte Juni den zweiten Transparenzbericht zum Radentscheid Bonn vorgestellt. Wir finden den Bericht enttäuschend. In diesem Post erklären wir, warum.

Am 12. Juni wurde der zweite Transparenzbericht zum Radentscheid Bonn in der VHS öffentlich vorgestellt. Wir durften dabei sein und auf dem Podium mitdiskutieren. Dafür bedanken wir uns bei der Stadt Bonn.

Obwohl in den letzten Jahren einiges für den Radverkehr in Bonn erreicht wurde – man denke z.B. an die Neuaufteilung der Oxfordstraße, die Fahrradstraße am Rheinufer oder auch den verbreiterten Radweg in der rechtsrheinischen Rheinaue – lässt uns die Lektüre des Berichts enttäuscht zurück. Das liegt vor allem am Umsetzungsplan, also dem Blick in die Zukunft, der gemeinsam mit dem Transparenzbericht veröffentlicht wurde. Bonn bietet viel Potential, sichere und durchgehende Radrouten zu schaffen. Der Umsetzungsplan scheitert allerdings daran, einen klaren Weg in diese Richtung aufzuzeigen.

Nach 3 Jahren ist einiges passiert, wenn auch weniger als beschlossen

Es ist tatsächlich schon über drei Jahre her (Februar 2021), dass die Bonner Politik den Radentscheid Bonn mit breiter Mehrheit beschlossen hat. Seitdem ist wirklich einiges in Bonn für den Radverkehr passiert. Der Umbau der Oxfordstraße, die Bemühungen zum Umbau auf der Adenauerallee, der verbreiterte Radweg in der rechtsrheinischen Rheinaue und die Markierung der neuen Fahrradstraßen sind nur einige Beispiele, die zeigen, dass die Stadt alles andere als untätig war. Das freut uns! Im Gegensatz zu vergangenen Jahrzehnten sieht man deutlich, dass der Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur wieder auf der Agenda steht.

Die mit dem Radentscheid gesetzten Ziele wurden allerdings nicht erreicht. Das räumt die Stadt auch ehrlich und offen im Transparenzbericht ein. Die geforderten 15 Kilometer Radwege pro Jahr (Ziel 2) wurden nicht erreicht. Sichere Einmündungen und Zufahrten (Ziel 4) sucht man in Bonn bisher genauso vergeblich wie umgestaltete Ampelkreuzungen, die eine sicherere Führung für den Radverkehr bieten (Ziel 3). Gerade bei den Kreuzungen müssen wir festhalten, dass noch nicht mal die Planung für eine solche Kreuzung begonnen wurde – und das nach über drei Jahren.

Hohe Erwartung an Umsetzungsplan

Dass es nicht direkt nach Beschluss des Radentscheids mit dem Bau losgehen konnte, liegt auf der Hand. Es brauchte einen Plan, ein Zielbild. Umso erfreuter sind wir darüber, dass im vergangenen Dezember das von der Stadt erarbeitete Radroutennetz vom Stadtrat beschlossen wurde. Das ist ein großer Meilenstein und sollte nun Grundlage für die Planung und den Bau durchgehender und sicherer Radrouten sein. Unsere Erwartung an den angekündigten Umsetzungsplan war also klar: Ein Plan, der aufzeigt, welche konkreten Schritte zur Erreichung des mit dem Radroutennetz definierten Zielbildes gegangen werden sollen.

Dass es erstmals zum Transparenzbericht als Blick zurück nun auch einen Umsetzungsplan als Blick in die Zukunft gibt, finden wir gut. Denn wichtiger als die Umsetzungsgeschwindigkeit ist die Frage, ob man überhaupt weiß, was man tun möchte.

Der nun vorgelegte Umsetzungsplan (Webseite der Stadt Bonn, runterscrollen bis unter Ziel 7) erfüllt unsere Erwartung allerdings nicht.

Sowieso-Maßnahmen als Mitnahmeeffekte

23 Maßnahmen listet die Stadt für die kommenden zwei Jahre auf. Das klingt erst mal nicht schlecht. Ein genauerer Blick zeigt allerdings, dass viele dieser Maßnahmen Mitnahmeeffekte sind. Ganze 13 der 23 Maßnahmen sind Sowieso-Maßnahmen, also Dinge, die für den Radverkehr umgesetzt werden sollen weil man sowieso gerade irgendwo an einer Straße baut.

Ein Beispiel dafür ist die Einrichtung von Radwegen an der Siemensstraße. Diese Radwege entstehen nicht, weil es wichtig ist, dass unbedingt an der Siemensstraße Radwege entstehen, sondern weil man die Siemensstraße sowieso gerade neu plant. Gleiches gilt für die Umgestaltung der Kölnstraße, das Projekt Uni trifft City oder die Sanierung der Straßen Im Wingert, Hohe Straße und Justus-von-Liebig-Straße. Nichts davon wird angegangen, weil es besonders wichtig wäre, dass genau dort prioritär gute Radinfrastruktur entsteht. Diese Maßnahmen sind Mitnahmeeffekte. Da dort sowieso umgebaut wird, tut man auch etwas für den Radverkehr.

Natürlich ist es grundsätzlich gut und begrüßenswert, dass Stadt und Politik bei sowieso anstehenden Baumaßnahmen die Radinfrastruktur in den Blick nehmen und verbessern. Dass der Umsetzungsplan allerdings zu über 50% aus solchen Maßnahmen besteht wirft die Frage auf, wie Ziel 1 des Radentscheids – ein sicheres, durchgängiges Straßennetz zwischen allen Stadtteilen – erreicht werden soll.

Grundlage für einen Plan wäre eigentlich vorhanden

Die Grundlage für einen klaren Umsetzungsplan ist mit dem Radroutennetz seit Ende letzten Jahres eigentlich vorhanden. Das Netz definiert mit Haupt- und Nebenrouten durch das ganze Stadtgebiet ein Zielbild für das Radroutennetz in Bonn und zeigt auf, wie künftig durchgängige Radrouten durch das Stadtgebiet verlaufen sollen. Ein Umsetzungsplan muss aufzeigen, wie dieses Zielbild erreicht werden soll.

Die 13 Sowieso-Maßnahmen schaffen keine durchgängigen Radrouten. Sie verbessern lediglich punktuell die Verkehrsinfrastruktur. Niemand würde eine Straßenbahnlinie bauen, indem er immer mal wieder ein paar Gleise verlegt wenn sowieso gerade ein Stück Straße saniert wird und dann darauf hoffen, dass dadurch irgendwann die neue Straßenbahnlinie komplett ist. Straßenbahnlinien werden am Stück, in ihrer gesamten vorgesehenen Länge geplant, wie man z.Zt. an der Westbahn oder der Stadtbahn nach Niederkassel sehen kann. Wer wirklich durchgängige Radrouten schaffen möchte, sollte nach dem gleichen Prinzip verfahren.

Umsetzungsplan besteht aus Einzelmaßnahmen statt durchgehenden Routen

Der vorgelegte Umsetzungsplan enthält fast keine Maßnahmen, die auf die Planung durchgängiger Radrouten hindeuten. Lediglich 2 Maßnahmen beziehen sich auf den Weiterbau der Ost-West-Achse, eine durchgängige Route von der Sankt Augustiner Straße über den Konrad-Adenauer-Platz, die Kennedybrücke, die Oxfordstraße, durch die Viktoriaunterführung und weiter über die Endenicher Straße. Eine weitere Maßnahme thematisiert die Radpendlerroute Bornheim-Alfter-Bonn. Der Rest ist – und es tut mir leid, das so hart schreiben zu müssen – unzusammenhängendes Stückwerk.

Es ist toll, dass die Stadt eine vierte Rheinbrücke für den Fuß- und Radverkehr plant. Aber Teil welcher Radroute soll diese Brücke werden? Und werden im Zuge der Planung der Brücke dann auch die anschließenden Teile dieser Route auf beiden Rheinseiten durchgeplant und umgebaut?

Es ist toll, dass auf der Maximilian-Kolbe-Brücke eine Protected Bike Lane entstehen soll. Aber in welchen größeren Kontext passt das? Was passiert vor und hinter der Brücke?

Es ist auch toll, dass die Stadt endlich ein Pilotprojekt für eine Schutzkreuzung angehen möchte. Aber wo und als Teil welcher Radroute? Eine sichere Kreuzung macht besonders dann Sinn, wenn man auch die Infrastruktur davor und dahinter betrachtet und eine durchgängig sichere Route schafft.

Sorge um Akzeptanz für die Verkehrswende

Wie möchten Stadt und Politik die Bonner Bürger*innen für die Verkehrswende gewinnen, wenn zusammenhanglos Teilstücke von Straßen umgebaut werden? Die Bürger können so gar nicht verstehen, dass ein aktuell umgebautes Stück Straße Teil einer künftig wichtigen Hauptradroute sein wird, die aber erst in 10, 15, 20 Jahren wirklich da sein wird, wenn zufällig auch alle anderen Stücke dieser Route umgebaut wurden.

Es ist für die Akzeptanz der Verkehrswende wichtig, den Menschen zu erklären, was man erreichen möchte. Die Stadt unternimmt sehr viel in diese Richtung. Die Webseite der Stadt zur Einrichtung der neuen Fahrradstraßen ist ein gutes Beispiel für ausführliche und verständliche Information. Trotzdem bleibt der Eindruck von Stückwerk, da im Stadtbild keine durchgehenden Radrouten wahrgenommen werden. Es werden immer nur kurze einzelne Abschnitte umgebaut ohne dass bereits Pläne präsentiert werden konnten, was auf dieser Route als nächstes passieren soll.

Radentscheid hat Vorschläge vorgelegt

Ein ambitionierter Umsetzungsplan muss aufzeigen, welche durchgängigen Radrouten in welcher Reihenfolge umgebaut werden sollen. Der Radentscheid Bonn hat dafür nach Verabschiedung des Radroutennetzes Vorschläge vorgelegt (Stadtbezirk Bonn, Stadtbezirk Beuel, Stadtbezirke Bad Godesberg und Hardtberg), die als Diskussionsgrundlage dienen sollen.

Die Planung und der Umbau einer Radroute muss durchgängig erfolgen und nicht nur abschnittsweise. Es muss erkennbar werden, wo durchgängig sichere Radinfrastruktur entsteht. Dass ein solches Vorgehen grundsätzlich möglich ist zeigen die Planungen bei anderen Verkehrsmitteln wie der Straßenbahn.

Beispiele für Umsetzungspläne bei anderen Themen

Aber nicht nur die Straßenbahn ist ein Beispiel für ein Thema, bei dem es besser läuft als beim Radverkehr. Auch das Thema Anwohnerparken ist ein solches Beispiel. Die Lokalpolitik hat 2022 eine Parkraumstrategie für Bonn beschlossen, die maßgeblich die Einführung von neuen Anwohnerparkzonen beinhaltet. Zu dieser Strategie existiert ein direkt mitbeschlossener Umsetzungsplan mit Priorisierung der vorgesehenen Gebiete und Zeithorizonten für die Umsetzung. Auch wenn die Zeithorizonte zwei Jahre später so nicht mehr realistisch erscheinen, so hat man hier konkrete Gebiete abgegrenzt und festgelegt, in welcher Reihenfolge man in diesen Gebieten Anwohnerparken einführen möchte. Jedes Gebiet wird in Gänze umgesetzt, nicht nur stückweise dort, wo sowieso eine Straße umgebaut wird. Bei Straßenbahnen geht es, beim Anwohnerparken geht es – wieso sind beim Radverkehr nur kleinere Einzelmaßnahmen möglich?

Umsetzungsplan muss Weg zum Radroutennetz aufzeigen

Wir erwarten einen Plan mit einer Priorisierung der Radrouten und der Ambition, wirklich durchgängige Radrouten zu planen und zu bauen. Das Bürgerbegehren mit den meisten Unterschriften in der Geschichte Bonns – der Radentscheid – hat es verdient, ernst genommen zu werden. Für den Radentscheid wurde ein großes Budget beschlossen, neue Stellen wurden in der Verwaltung geschaffen. Es ist an der Zeit, dass mit diesen Ressourcen nun auch durchgehende Radrouten als eigenständige Maßnahmen geplant und umgesetzt werden. Durch einen Fokus auf Einzelmaßnahmen und Mitnahmeffekte wird kein durchgängiges Radroutennetz entstehen.

Von der Stadt erwarten wir, dass sie einen Umsetzungsplan vorlegt, der aufzeigt, wie das beschlossene Radroutennetz Schritt für Schritt durch Planung und Bau durchgängiger Radrouten Wirklichkeit werden soll. Die Lokalpolitik fordern wir auf, einen solchen Plan aktiv einzufordern. Der mit dem diesjährigen Transparenzbericht vorgelegte Umsetzungsplan kann nicht der Maßstab sein, an dem sich Bonn messen lassen möchte.

2 Kommentare

  • Cornelius sagt:

    Sehr gut zusammengefasst! Die aktuellen Änderungen stellen zwar oft eine Verbesserung der Situation für Fahrradfahrer dar, aber man wird niemanden dazu bewegen können aufs Fahrrad umzusteigen, weil hier und da mal ein paar Meter ordentliche Fahrradinfrastruktur gebaut wurden. Beispielsweise ist die provisorische Verkehrsführung auf der Viktoriabrücke ja wirklich sehr komfortabel für Radfahrer aber was ist mit den anliegenden Straßen? Die Endenicher Straße und der Wittelsbacherring sind aufgrund der extrem schmalen Fahrradschutzstreifen kaum benutzbar und auch auf dem Hochstadenring/Kaiser-Karl-Ring muss man sich entscheiden, ob man konstant knapp überholt wird oder durchgehend im Dooring Bereich fährt. Trotzdem bin ich glücklich über alle Veränderungen die bisher getroffen wurden und besonders die neue Aufteilung auf der Adenauerallee ist toll!

  • María Elvira sagt:

    Ich kann leider keine Verbesserung feststellen. Radfahren in Bonn ist und bleibt gefährlich. So gefährlich, dass ich mein Fahrrad verkauft habe. L

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