Die Novelle der Straßenverkehrsordnung mit härteren Strafen für Raser war kaum in Kraft getreten, da setzten erste Bundesländer die neuen Regeln schon wieder außer Kraft – aufgrund eines Formfehlers. Das deutschlandweite Bündnis der Radentscheide „BundesRad“, in dem auch der Radentscheid Bonn vertreten ist, kritisiert diese Entscheidung scharf.
Wer 21 km/h zu schnell fährt, riskiert die Gesundheit und das Leben von Menschen, aber nicht seinen Führerschein. Jedenfalls nicht in NRW, denn seit Anfang Juli hat auch das nordrhein-westfälische Innenministerium beschlossen, den neuen Bußgeldkatalog nicht mehr anzuwenden. Raser müssen die seit April geltenden strengeren Regeln aufgrund der StVO-Novelle und damit u.a. einmonatige Fahrverbote für eine Geschwindigkeitsüberschreitung ab 21 km/h nicht mehr fürchten.
21 km/h zu schnell – das kann der Unterschied zwischen einem Unfall mit tödlichem Ausgang oder „nur“ Verletzten sein. 21 km/h zu schnell, das bedeutet, mit 51 km/h durch eine Tempo-30-Zone zu fahren, wie sie oft vor Schulen, Kindergärten oder Altenheimen eingerichtet werden. Auch Radfahrende sind sicherer unterwegs, wenn motorisierte Verkehrsteilnehmer langsamer fahren und sich an geltende Geschwindigkeitsbegrenzungen halten. Laut offiziellen Unfallstatistiken sinkt die Anzahl der tödlichen Unfälle im Straßenverkehr für alle Verkehrsteilnehmer, außer für Radfahrende. Wenn auch die Ursachen für tödliche Unfälle sicherlich vielfältig sind, ist die Einhaltung von Tempolimits ein wichtiger Baustein für mehr Sicherheit im Straßenverkehr generell. Härtere Strafen, das zeigen Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern, tragen wesentlich dazu bei, dass Tempolimits eingehalten werden.
Der Radentscheid Bonn kritisiert daher zusammen mit Changing Cities e.V. und dem bundesweiten Zusammenschluss der Radentscheide in einem offenen Brief die Rücknahme des Bußgeldkatalogs. In dem Schreiben an Bundesverkehrsminister Scheuer und die Verkehrs- und Innenminister der Länder fordern wir, den Formfehler unverzüglich zu beheben und Rechtssicherheit herzustellen. Durch den Formfehler in der neuen Straßenverkehrsordnung ist unklar, ob die weiteren Neuerungen der StVO ihre Gültigkeit behalten. Dabei geht es um wichtige Regelungen, die mehr Sicherheit für Radfahrende gewährleisten sollten, wie den Mindestabstand beim Überholen oder das Halten auf Schutzstreifen. Es ist dringend erforderlich, hier Klarheit zu schaffen und sicherzustellen, dass die neuen Regeln für die Sicherheit von schwächeren Verkehrsteilnehmern angewendet werden können.
Jährlich kommen im Straßenverkehr in Deutschland mehr als 3.000 Menschen ums Leben. Damit sind wir weit entfernt von der Vision Zero, d.h. dem Ziel, keine Verkehrstoten mehr beklagen zu müssen. Vision Zero ist möglich, wie Beispiele aus anderen Ländern zeigen. So ist etwa in Helsinki in 2018 kein Fußgänger oder Radfahrende*r mehr ums Leben gekommen. Für eine etwaige Neufassung oder inhaltliche Änderungen am Bußgeldkatalog fordern wir eine Orientierung an der Vision Zero und einen höheren Stellenwert für die Verkehrssicherheit.