Wie bist du denn heute zur Arbeit gekommen?
Heute bin ich tatsächlich mit dem Auto gekommen, weil ich vorher in Köln einen Termin hatte und ich noch eine riesige Kiste mit Ware transportieren musste. Da ich in Hersel wohne und jetzt zwischen Köln, Bonn und Hersel hin- und herfahren musste, wäre das anders nicht gegangen. Aber sonst komme ich tatsächlich meistens mit dem Fahrrad.
Euer Laden liegt ja in der Friedrichstraße und die ist seit 1997 autofrei – wie kommen denn Eure Kund:innen zu Euch?
So genau weiß ich das natürlich nicht bei jede/r Kund:in, denn bei denen, die mit dem Auto kommen, sehen wir das ja nicht – die fahren ja direkt in die Tiefgaragen und kommen dann genau wie die Nutzer:innen des ÖPNV zu Fuß hierher. Aber ich sehe auch immer viele, die mit dem Fahrrad direkt vor der Ladentür parken.
Ist das ein Thema, bei Euren Kund:innen? In dem Sinne, dass es vielleicht Beschwerden darüber gibt, dass die Geschäfte schwierig zu erreichen wären mit dem Auto?
Nein. Also das habe ich hier im Laden noch nicht ein einziges Mal gehört. Und ich kenne das Thema auch aus der privaten Perspektive: Es gibt durchaus Situationen, in denen ich mit dem Auto in die Innenstadt fahre und dann fahre ich halt ins Parkhaus. Da soll es ja das ein oder andere geben in Bonn.
Wisst ihr, wo Eure Kund:innen so herkommen?
Also eine richtige Erhebung dazu haben natürlich nicht gemacht, aber wir unterhalten uns oft. Wir haben eine ganz gute Mischung aus Stammkund:innen aus dem Bonner Stadtgebiet – aber viele kommen auch aus der Eifel, dem Westerwald, aus Koblenz oder dem Bergischen zu uns.
Wie machen das Eure Lieferant:innen oder Handwerker:innen, die zu Euch müssen?
Unsere Ware wird bis 12 Uhr von den üblichen Kurierdiensten angeliefert. Handwerker parken zwar auch schon mal hinter dem Haus, können ansonsten aber auch problemlos in dem Zeitraum vorne stehenbleiben.
Wir waren lange Zeit der einzige Laden in diesem Bereich der Friedrichstraße, der keine Blumenkübel oder Ähnliches vor der Tür stehen hatte, wodurch wir immer wieder Probleme mit Leuten hatten, die meinten, hier zum Einkaufen parken zu müssen. Aber jetzt haben wir seit drei Jahren gottseidank die Grüne Insel, die einerseits sehr schön und ein Ort der Begegnung ist und andererseits dafür sorgt, dass unser Laden hier nicht mehr zugeparkt wird.
Grüne Insel?
Die Grünen Inseln sind ein Projekt vom Wissenschaftsladen Bonn um die Innenstadt etwas grüner zu machen. Das sind kombinierte Pflanzkübel und Sitzgelegenheiten aus Holz. Da sitzen dann oft Menschen und trinken ihren Kaffee, essen ihr Eis oder ruhen sich einfach nur aus und kommen miteinander ins Gespräch. Und wir kümmern uns darum, bepflanzen sie und machen sie jeden Morgen sauber.
Die Friedrichstraße ist erst seit rund 20 Jahren Fußgängerzone, also viel später dazugekommen. Hast du eine Idee, wie der ehemalige „Cityring“, also das Teilstück zwischen Busbahnhof und Viktoriakarree, künftig aussehen könnte?
Ich habe ganz lange in Hamburg gewohnt und dort wurde in Eimsbüttel die Osterstraße – früher eine Hauptdurchgangsstraße – komplett neu angelegt. Heute können da Fuß-, Rad- und Autoverkehr gut parallel vorankommen – das ist natürlich der Idealfall. Zu Frust führt immer, wenn zu wenig Platz für alle ist. Wichtig ist, dass es eine klare Aufteilung gibt, also zum Beispiel einen Fahrradstreifen und einen Fußgängerstreifen.
Ich fahre ja selber auch viel Fahrrad, aber ich würde zum Beispiel nicht auf die Idee kommen, nachmittags um drei hier mit 25 km/h durch die Friedrichstraße zu radeln. Das macht zwar nur eine Minderheit, aber das wird dann halt in den Medien und Kommentarspalten bei Facebook hervorgehoben. Gegenseitige Rücksichtnahme ist hier einfach von allen Seiten gefragt.
Merkt ihr hier etwas von der Kappung des Cityrings?
Nein, das kann ich wirklich nicht anders sagen: Das hat überhaupt keinen Einfluss auf uns.
Und wie erklärst Du Dir dann, das teilweise behauptet wird, die Umsätze des Einzelhandels würden um bis zu 25% einbrechen?
Ich glaube, das ist ein generelles Problem des stationären Einzelhandels, dass die Umsätze einbrechen und das liegt wohl teilweise auch an den Konzepten. Die ganze Corona-Lockdown-Phase war natürlich extrem hart, aber wir haben danach einen deutlichen Zustrom gemerkt – auch, dass die Leute ganz gezielt zu uns kommen. Ich glaube nicht, dass der Umbau des Cityrings bei der großen Mehrheit der Menschen irgendeinen negativen Einfluss hat – dann wäre es ja auch kein auf Bonn beschränktes Phänomen.
In der Berichterstattung wird immer nur der negative Aspekt betont, wenn es um Veränderungen geht. Anstatt zu klagen, dass da jetzt irgendwo einzelne Parkplätze wegfallen, könnte man ja zum Beispiel auch mal sagen: „Hey, super, dass da jetzt mehr Platz für Menschen zu Fuß ist und dass die Menschen sich freier in der Stadt bewegen können!“ Beim Lesen der Artikel hat man ja teilweise den Eindruck, man könne die Innenstadt nicht mehr mit dem Auto erreichen, geschweige denn ins Parkhaus fahren, aber das stimmt ja schlichtweg nicht.
Wie schätzt du generell die Verkehrssituation in Bonn ein?
Es kommt natürlich immer drauf an, von wo man kommt und wohin man will, und es gibt immer auch gute Gründe für unterschiedliche Menschen, ein Auto zu benutzen. Man darf nicht vergessen, dass es Menschen gibt, die aus gesundheitlichen Gründen aufs Auto angewiesen sind. Für viele andere und auch für mich persönlich ist das auch oft auch einfach nur Bequemlichkeit – aber letztlich gilt: Ohne Veränderung verändert sich halt nix – und so wie es ist, kann es nicht bleiben.
Immer mehr Autos … das ist schwierig. Es wird oft vergessen, dass die Zahl der zugelassenen Autos in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen hat und es auch dadurch vermehrt zu Staus kommt. Es hilft natürlich auch nicht, einfach alle Autos aus der Stadt zu verbannen und den Rest dann so zu lassen, wie er ist. Es müssen Konzepte her. Was mir hier in der Breite etwas fehlt, ist zum Beispiel der öffentliche Nahverkehr. Das wäre wichtig. Bislang ist er insbesondere in Bonn zu teuer zu kompliziert und zu wenig flächendeckend. Aber da tut sich ja glücklicherweise mit dem Bürgerticket etwas. Und es gibt einfach Stellen, an denen ich definitiv nicht Fahrrad fahre, weil es mir zu gefährlich ist.
Wie blickst du allgemein in die Zukunft der Innenstadt?
Wir haben doch alle während Corona gemerkt, dass es so ganz ohne persönlichen Kontakt schwierig ist. Sonst würden wir ja jetzt alle nur noch online kaufen. Die großen Ketten sind sicher größtenteils eher austauschbar und werden wohl langfristig vom Online-Geschäft verdrängt. Aber Läden, die eine persönliche Beratung bieten und eine Willkommens-Atmosphäre schaffen, werden immer eine Zukunft haben. Da glaube ich ganz fest dran, das erlebe ich hier in der Friedrichstraße an vielen Stellen und das bekommen wir regelmäßig von unseren Kund:innen zu hören.
Ich wünsche mir auch mehr Wohnraum in der Innenstadt, auch damit es hier nachts nicht so ausgestorben ist – die Innenstadt muss wieder belebt werden und wenn man weiß, wieviel Wohnraum hier leer steht, ist da auf jeden Fall Potenzial versteckt.
Es müssen Konzepte her, die all das berücksichtigen. Und wenn man in andere Städte schaut, wo schon Konzepte umgesetzt wurden, dann sie man ja auch, dass das die Innenstädte nicht schädigt, sondern – im Gegenteil – wieder belebt.
Liebe Kerstin, vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führten Tobi und Martin