Für die Verbreiterung der A565 muss das Endenicher Ei abgerissen und neu gebaut werden. Geplant ist eine Bauzeit von ca. vier Jahren. Da die über das Endenicher Ei verlaufende B56 eine wichtige Verbindung aus den westlichen Bonner Stadtteilen in die Innenstadt ist, wird die Brücke schrittweise erneuert, so dass der Verkehr auch während der Bauphase weiterhin fahren und gehen kann.
Anfang November hat die Bauphase begonnen und der südliche Teil des Endenicher Eis wurde gesperrt. Das hat Auswirkungen sowohl auf den Auto- als auch auf den Fuß- und den Radverkehr. Es mussten Lösungen gefunden werden, wie der Verkehr am Endenicher Ei bei gesperrtem Südteil trotzdem fahren und gehen kann. Ein Blick auf die gefundenen Lösungen für die unterschiedlichen Verkehrsarten zeigt, dass für die Planer Fuß- und Radverkehr eine deutlich untergeordnete Priorität zu besitzen scheinen.
Wie ist die aktuelle Situation?
Betroffen ist der Verkehr stadteinwärts, also aus den westlichen Stadtteilen wie Endenich und Duisdorf in Richtung West- und Innenstadt.
Der Autoverkehr wird dreispurig über die Behelfsbrücke in der Mitte des Endenicher Eis geleitet (2 Spuren geradeaus, 1 Linksabbieger auf die A565). Er hat daher praktisch keine Einschränkungen hinzunehmen. Es fallen keine längeren Wege an. Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Fahrspuren ist identisch zur bisherigen Situation.
Der Fußverkehr in Richtung Innenstadt muss hier eine Umleitung nehmen. Auf der westlichen Seite gibt es eine mit Rampen versehene Unterführung, die einen auf die andere Straßenseite bringt. Dort können Zufussgehende den nach wie vor nutzbaren Nordteil verwenden, um die Autobahn zu queren. Möchten sie wieder auf die andere Straßenseite der B56 zurück, können sie die vor dem Bauhaus (ehemals Knauber) befindliche Ampel benutzen.
Der Radverkehr in Richtung Innenstadt findet weder auf dem noch nutzbaren nördlichen Teil des Endenicher Eis noch auf der Behelfsbrücke Platz. Für ihn wurde eine Umleitung über die Regerstraße, Brahmsstraße, Wiesenweg und Wesselbahnweg eingerichtet.
Die folgende Abbildung zeigt die Verkehrsführung für alle drei Verkehrsarten. Dabei ist die Verkehrsführung für den Autoverkehr in blau, für Zufussgehende in gelb und für den Radverkehr in grün dargestellt.
Karte: OpenStreetMap, Markierungen: Radentscheid Bonn
Gleichberechtigung aller Verkehrsarten?
Vor gut zweieinhalb Jahren hat der Stadtrat den Radentscheid Bonn beschlossen. Ziel sechs ist überschrieben mit „Geh- und Radwege nutzbar halten” und enthält den Satz „Bei Baustellen werden alle Verkehrsarten gleichberechtigt behandelt.” Ein Blick auf das obige Bild lässt Zweifel daran aufkommen, dass wir mit der Umsetzung dieses Ziels schon vorangekommen sind. Während der direkte Weg über die Behelfsbrücke dem Autoverkehr vorbehalten bleibt, müssen Fuß- und Radverkehr Umleitungen hinnehmen.
Zwar ist für diese Baustelle die Autobahn GmbH und nicht die Stadt Bonn verantwortlich, aber die Stadtverwaltung wurde in die Planung der Umleitungen involviert und hatte dadurch durchaus Einflussmöglichkeiten.
Probleme für Zufussgehende
Was sind nun konkret die Probleme mit der eingerichteten Verkehrsführung? Schauen wir uns zu Beginn den Fußverkehr an. Hier gibt es aus meiner Sicht drei konkrete Probleme.
Erstens ist dies die Unterführung. Diese ist nicht nur recht einsam und dunkel und daher ein Angstraum. Sie hat auch – was in der Natur einer Unterführung liegt – an beiden Enden Steigungen, die insbesondere mobilitätseingeschränkte Menschen mit Rollator oder Rollstuhl vor Probleme stellen. Zufussgehende durch eine Unterführung zu führen ist immer schlechter als eine ebenerdige Querung.
Die Unterführung am Endenicher Ei ist Teil der Umleitung für Zufussgehende
Das zweite Problem ist die Ampel vor dem ehemaligen Knauber zur Querung der Endenicher Straße. Diese Ampel ist unter Radfahrenden und Zufussgehenden in Bonn als eine der am längsten rot zeigenden Ampeln der Stadt bekannt. An dieser Ampel wird der Autoverkehr stark bevorzugt, während Zufussgehende und Radfahrende lange warten müssen. Eine Änderung der Ampelschaltung für die Fußgängerumleitung ist bisher nicht erkennbar.
Dritter Punkt für den Fußverkehr ist die Tatsache, dass die am Endenicher Ei eingebaute Behelfsbrücke an der Südseite über einen – aktuell gesperrten – Gehweg verfügt (Satellitenbild auf Google Maps). Es ist nicht so recht verständlich, warum der Richtung Innenstadt laufende Fußverkehr diesen nicht verwenden darf. Sowohl der Weg durch die Unterführung als auch die Querung der Ampel würden entfallen. Ein Blick auf das obige Foto zur Führung des Autoverkehrs zeigt außerdem, dass die drei Autospuren die Brücke nicht in der ganzen Breite ausfüllen. Auf der Nordseite (im Bild links) ist Platz übrig. Hätte man die Autospuren etwas weiter Richtung Norden markiert, wäre dieser Platz südlich übrig (im Bild rechts) und Zufussgehende Richtung Innenstadt könnten dort langgehen.
Probleme für den Radverkehr
Größtes Problem für den Radverkehr ist sicherlich die Länge der Umleitung. Es geht über fünf Straßen, an deren Kreuzungen der umgeleitete Radverkehr nie vorfahrtsberechtigt ist. Während der Autoverkehr dreispurig über die Behelfsbrücke geleitet wird, leitet man den Radverkehr umständlich um. Das ist keine Gleichberechtigung.
Ein weiteres Problem ist der Wesselbahnweg. Dieser Weg ist keine normale Straße, sondern ein nicht asphaltierter, recht schmaler gemeinsamer Geh- und Radweg, der bei schlechterem Wetter schnell zu einem Matschparadies verkommt. Für eine wichtige Radroute scheint mir das keine adäquate Führung zu sein.
Der Wesselbahnweg – für die nächsten vier Jahre Teil der Ost-West-Achse für den Radverkehr
Das dritte Problem für den Radverkehr ist die Situation in Reger- und Brahmsstraße. Diese Straßen sind schmale Anwohnerstraßen, auf denen beidseitig Autos parken. Der vorhandene Platz für den fließenden Verkehr ist recht schmal. Begegnungsverkehr Fahrrad-Auto und auch das Überholen von Radfahrer:innen durch Autofahrende sind hier nicht möglich. Durch die Umleitung wird der Radverkehr in diesen Straßen deutlich zunehmen und es wird unweigerlich zu Konflikten und gefährlichen Situationen kommen.
Enge Platzverhältnisse in der Regerstraße. Die Umleitung für Radfahrende geht in die Gegenrichtung.
Endenicher Ei ist Teil der Ost-West-Achse
Nun werden wahrscheinlich einige sagen: „Ach, da sind ja sowieso nicht so viele Radfahrende unterwegs!” Aber schauen wir uns die Situation einmal an. Die A565 trennt die westlichen Stadtteile von der Innenstadt ab. Es gibt nur wenige Querungsmöglichkeiten. Das Endenicher Ei bot bisher immerhin vom Autoverkehr getrennte Radwege. Das findet man an keiner anderen Querungsmöglichkeit der A565.
Außerdem ist das Endenicher Ei Teil der Ost-West-Achse für den Radverkehr, die die Stadt seit Jahren plant und z. B. durch die neue Straßenaufteilung auf der Oxfordstraße in letzter Zeit auch umzusetzen beginnt.
Ost-West-Achse für den Radverkehr
Das Endenicher Ei ist also Teil einer wichtigen Radroute quer durch die Stadt. Ist es wirklich sinnvoll und hinnehmbar, dass die Bemühungen, diese Ost-West-Achse auszubauen, jetzt vier Jahre lang durch eine derart schlechte Umleitung ad absurdum geführt werden?
Der Radverkehr am Endenicher Ei ist keine lästige Begleiterscheinung. Das Endenicher Ei ist für den Radverkehr eine ebenso wichtige Verbindung wie für den Autoverkehr. Vor diesem Hintergrund ist es irritierend, dass Radfahrende über eine umständliche und schmale Umleitung geführt werden, auf der sie noch nicht mal Vorfahrt haben, während dem Autoverkehr die Behelfsbrücke in ihrer gesamten Breite zugesprochen wird. Das ist autozentrierte Verkehrsplanung par excellence. Vom Beschluss „Bei Baustellen werden alle Verkehrsarten gleichberechtigt behandelt.” ist nichts zu sehen.
Menschen sind nicht auf ein einziges Verkehrsmittel fixiert. Sie wählen für ihre Wege das jeweils attraktivste Verkehrsmittel. Macht man eines attraktiver, so werden mehr Menschen dieses nutzen. Die aktuelle Baustellensituation am Endenicher Ei ist ein Bilderbuchbeispiel dafür, wie man durch Bevorzugung des Autoverkehrs noch mehr Menschen ins Auto bringt und sie davon abhält, alternative Verkehrsmittel zu wählen. Verkehrswende sieht anders aus.
Wie könnte es besser gehen?
Ich möchte in diesem Artikel nicht nur die Missstände beschreiben, sondern auch konstruktiv Vorschläge machen, wie es besser gehen könnte.
Eine breitere Behelfsbrücke ist aufgrund der Platzverhältnisse wohl keine Option. Man muss also mit dem Platz arbeiten, den die Brücke bietet. Dieser Platz sollte so aufgeteilt werden, dass er allen Verkehrsteilnehmern zur Verfügung steht und die Auswirkungen auf alle Verkehrsarten verteilt werden. Das wäre gerecht und im Sinne der Verkehrswende. Natürlich wird es Einschränkungen für alle geben (z. B. weniger Autospuren, schmalere Geh- und Radwege), aber durch einen solchen Ansatz werden alle Verkehrsarten anerkannt und nicht eine einzige bevorzugt.
Wie kann die Baustelle nun konkret aussehen, wenn man diesen Ansatz verfolgt?
Umweltspur über das Endenicher Ei
Der ADFC fordert in einer Presseerklärung, die auf dem Hermann-Wandersleb-Ring eingerichtete Umweltspur über das Endenicher Ei zu verlängern. Für den Autoverkehr würde eine von drei Spuren wegfallen. Der ÖPNV würde durch weitere Beschleunigung und der Radverkehr durch eine direkte Verkehrsführung ohne komplizierte Umleitung profitieren. Die Brücke würde gerechter für alle Verkehrsarten genutzt. Dieser Forderung schließen wir uns an. Sie entspricht unserem Radentscheid-Ziel „Geh- und Radwege nutzbar halten”.
Insbesondere mit Blick darauf, dass die Stadt perspektivisch plant, auch zwischen Endenicher Ei und Viktoriabrücke eine Umweltspur einzurichten, ist es unverständlich, dass am Endenicher Ei diese ansonsten durchgehende Umweltspur unterbrochen bleiben soll.
Fußgängerbrücke freigeben
Für den Fußverkehr muss entweder der vorhandene Fußgängerweg an der Südseite der Behelfsbrücke geöffnet oder der vorhandene und z. Zt. nicht genutzte Platz auf der Behelfsbrücke als Fußweg freigegeben werden. Es ist völlig unverständlich, warum die vorhandene Fußgängerbrücke nicht genutzt wird.
Hierdurch würden noch nicht einmal andere Verkehrsarten eingeschränkt. Es würde einfach nur Platz, der zur Zeit brach liegt, für eine direkte Verkehrsführung genutzt.
Pläne für das Endenicher Ei veröffentlichen
Die Pläne für das neue Endenicher Ei sind nach wie vor nicht veröffentlicht und konnten daher bisher in der Öffentlichkeit nicht diskutiert werden. Sieht man die völlig einseitig auf den Autoverkehr eingerichtete Baustelle, so kann einem etwas Angst um die am alten Endenicher Ei vorhandenen breiten Geh- und Radwege werden. Werden diese beim Neubau in der vorhandenen Breite wiederkommen? Es ist schon lange an der Zeit, dass die Autobahn GmbH der Öffentlichkeit mitteilt, was da eigentlich konkret gebaut wird. Dazu müssen die Pläne freigegeben werden, bevor endgültig Fakten geschaffen werden.
Fazit
Die eingerichtete Verkehrsführung an der Baustelle Endenicher Ei ist einseitig auf den Autoverkehr ausgerichtet und widerspricht damit den Bestrebungen der Stadt Bonn in Bezug auf eine Verkehrswende. Wir verstehen nicht, wie die Stadt Bonn der Autobahn GmbH so eine Baustelleneinrichtung durchgehen lassen konnte.
Wir fordern die Stadtverwaltung und die Lokalpolitik auf, sich für Verbesserungen an der Verkehrsführung einzusetzen. Eine der drei Autospuren stadteinwärts muss zu einer Umweltspur umgewandelt werden. Die Fußgängerbrücke der Behelfsbrücke muss freigegeben werden. Dadurch würde die Baustelle Endenicher Ei den Forderungen des von der Lokalpolitik beschlossenen Radentscheid gerecht werden.
geschrieben von Martin P.
2 Kommentare
Als Endenicher stimme ich dem Artikel voll zu, und möchte ergänzen, dass aus den genannten Gründen offensichtlich viele Fahrradfahrer weiterhin „illegal“ weiter über die Straße das Endenicher Ei Richtung Innenstadt befahren. Manche Autofahrer finden das nicht gut, und drängen Fahrradfahrer unnötig und teils lebensgefährlich ab. Hier konnte ich bereits mehrere sehr gefährliche Situationen beobachten.
Ich habe Anfang Dezember E-Mails an mehrere zuständige Stellen der Stadt Bonn geschrieben, aber bisher (Mitte Januar) gar keine Reaktion erhalten.
Vermutlich muss wohl leider erst ein schlimmer Unfall passieren, bis jemand reagiert 🙁
Im letzten Gespräch mit der Verwaltung erklärte Herr Metternich, der für die Umleitungen an Baustellen zuständig ist, dass er keine Chance sieht, die Fahrbahn in der Baustelle für Radfahrende freizugeben. Seine Argumente: Durch die Autobahnauf- und -abfahrt ist dort zu viel Autoverkehr, der sich durch die Ampeln auch in dem Bereich staut. Und es sind zwei Baustellenausfahrten, die zusätzlich gefährlich sind – auch für Fußgänger*innen. Daher die Entscheidung, diesen Bereich ausschließlich für Autoverkehr freizugeben. Eine gleichwertige Behandlung der Verkehre sei hier wegen der ungleichen Verkehrsbelastung nicht möglich. Unser Vorschlag einer Umweltspur wie auf dem Wanderslebring sei nicht umsetzbar, wenn man große Staus vermeiden will. Das ist seine Sicht auf das Problem. Man kann das nicht alles entkräften. Aber hier bleibt ein deutliches Beispiel, dass man mit dem Fahrrad in Bonn nicht ständig bevorzugt oder wenigstes gleich behandelt wird. Wir hatten noch nie den Eindruck, dass das so ist. Aber in der Öffentlichkeit wird es oft so dargestellt.