Dass der Busbahnhof erneuert werden muss, braucht man in Bonn niemandem zu erzählen. Um das zu sehen, reicht ein kurzer Blick auf den aktuellen Zustand des ZOB. Umso schöner, dass die Stadt nun die Planungen für den neuen ZOB veröffentlicht hat! Wir schauen uns an, wie die Interessen des Fuß- und Radverkehrs in den Planungen berücksichtigt werden.
Schon mal vorab: Ich finde die Planung grundsätzlich gelungen! Die Radverkehrsführung ist vom Busverkehr entkoppelt. Eine große Fahrradgarage soll entstehen. Für den Fußverkehr sehe ich allerdings Optimierungspotential.
Was ist geplant?
Einen guten Überblick über die Planungen erhält man sowohl in der Pressemeldung der Stadt Bonn (dort finden sich u.a. Visualisierungen des künftigen ZOB) als auch in der Vorlage für die politischen Gremien im Ratsinformationssystem. Letztere enthält viele Pläne und Querschnitte. Für uns interessant ist insbesondere die Verkehrsplanung.
Die folgende Abbildung gibt einen groben Überblick über die Planung. Rot gestrichelt ist der Bereich des heutigen ZOB dargestellt. Der grün hinterlegte Bereich zeigt die Fläche des künftigen Busbahnhofs. Es wird deutlich, dass der neue ZOB größer wird und auch die bisher eigentlich nicht genutzten Flächen zwischen dem heutigen Busbahnhof und dem Maximilian-Center (Primark, ehemals Südüberbauung) zugeschlagen bekommt.
Künftige Radverkehrsführung
Die Führung für den Radverkehr wurde im Zuge der Planungen u.a. mit dem ADFC diskutiert. Das Ergebnis kann sich aus meiner Sicht sehen lassen!
Die folgende Abbildung zeigt die Radverkehrsführung in rot (aus Kaiserstraße Richtung Hbf und andersherum) sowie in blau (aus der Südunterführung heraus Richtung Hbf).
(Die rot gestrichelte Linie ist eine im Vorfeld diskutierte, aber verworfene Führung des Radverkehrs in Richtung Hauptbahnhof.)
Schöne Radverkehrsführung in Richtung Kaiserstraße
In Richtung Kaiserstraße soll der Radverkehr künftig nicht über den ZOB, sondern auf der Südseite der Südunterführung – also vor Gleis 1 des Hbf entlang – geführt werden. Über die Fuß- und Radverkehrsunterführung unter den Bahngleisen am Kaiserplatz führt bereits jetzt eine weitestgehend unbekannte Brücke parallel zu den Bahngleisen. Über diese soll künftig der Radverkehr Richtung Kaiserstraße geführt werden.
Diese Führung in Fahrtrichtung Kaiserstraße finde ich gut. Sie vermeidet Konflikte mit den Bussen, indem sie den Radverkehr um den neuen ZOB herum führt – und dazu sogar bestehende Wege nutzt, die bisher einfach nicht sinnvoll verwendet wurden. Auch Konflikte mit dem Autoverkehr in Richtung Südunterführung werden weitestgehend vermieden.
Ein notwendiger Kompromiss in Fahrtrichtung Hauptbahnhof
In die andere Fahrtrichtung – also aus der Kaiserstraße kommend Richtung Hauptbahnhof – soll der Radverkehr künftig dort geführt werden, wo jetzt die Maximilianstraße (der ehemalige City-Ring) verläuft – also zwischen ZOB und den angrenzenden Gebäuden. Autoverkehr soll dort künftig nicht mehr stattfinden.
Diese Führung ist zwar nicht optimal, stellt aber aus meiner Sicht den besten Kompromiss dar. Grundsätzlich wäre es schöner, wenn der ZOB für den Fußverkehr direkt an die Geschäfte in den umliegenden Gebäuden und an die Fußgängerzone (Gangolfstraße) anschließen würde. Die Planung sieht nun einen Radweg vor, der den ZOB von den Geschäften und der Fußgängerzone trennt. Das ist für den Fußverkehr nicht optimal.
Die Frage ist allerdings: Was wäre die Alternative gewesen? Irgendwie muss der Radverkehr aus der Kaiserstraße Richtung Hauptbahnhof geführt werden. Diskutiert wurde eine alternative Führung, die ich in der obigen Abbildung blass rot gestrichelt dargestellt habe. Bei dieser Führung wäre der Radverkehr aus der Kaiserstraße kommend links um den ZOB herumgeführt worden.
Problematisch bei dieser alternativen Führung ist das Zusammentreffen des Radverkehrs mit den Bussen, die in den ZOB ein- und ausfahren. Der Radverkehr würde hier sowohl die in den ZOB abbiegenden Busse aus Richtung Hauptbahnhof, die in den ZOB abbiegenden Busse aus der Südunterführung kommend sowie die Busse aus dem ZOB in eben diese beiden Richtungen kreuzen. Mit Blick auf die Vielzahl der am ZOB haltenden Busse birgt eine solche Führung hohes Konfliktpotential – insbesondere, da der Radverkehr hier in sehr spitzem Winkel zu den Bussen aus der Südunterführung und dem ZOB geführt würde und somit die Sichtbeziehungen denkbar schlecht wären. Ausführlicher und bebildert hat dies der ADFC in seiner Stellungnahme zur Planung erläutert.
Die nun favorisierte Führung entlang der jetzigen Maximilianstraße entkoppelt den Rad- und den Busverkehr vollständig, was das Konfliktpotential zwischen diesen beiden Verkehrsmitteln auflöst. Dafür entstehen auf der anderen Seite potentiell Konflikte zwischen Radverkehr und Zufussgehenden, die vom ZOB in Richtung Fußgängerzone (oder andersherum) gehen möchten.
Ich halte die von der Stadt favorisierte Führung entlang der Maximilianstraße für den besseren Kompromiss. Die alternative Führung würde einen Unfallschwerpunkt schaffen. Im Prinzip bleibt es bei der bereits jetzt vorhandenen Verkehrsführung, bei der Radfahrende über den gekappten City-Ring fahren – künftig allerdings nur noch in eine Richtung. Ich denke, die Erfahrungen seit Kappung des City-Rings zeigen, dass das Zusammenspiel von Radfahrenden und Zufussgehenden hier ganz gut funktioniert.
Eine große Parkgarage für den Radverkehr!
Ein Highlight aus Sicht der Radfahrenden ist sicherlich die geplante Fahrradgarage unter dem neuen Busbahnhof. Dieser Plan zeigt die künftige Garage mit Platz für etwa 650 Fahrräder. Insbesondere die komplett vom Busverkehr getrennte Zufahrt (siehe Abbildung oben) finde ich sehr gut gelöst. Es wird möglich sein, direkt von den Radwegen die Fahrradgarage anzufahren.
Gemeinsam mit den Radstellplätzen im geplanten neuen Parkhaus an der Quantiusstraße (ca. 780 Stellplätze) und den bereits vorhandenen Stellplätzen im Parkhaus Rabinstraße (180 Stellplätze) stehen dann rund um den Hauptbahnhof über 1.500 Garagenstellplätze zur Verfügung. Hinzu kommen noch ca. 350 Dauerparkerplätze in der Radstation an der Quantiusstraße. Dass diese Stellplätze dringend notwendig sind, verrät ein Blick an sämtliche Laternen, Schilder und Zäune rund um den Hauptbahnhof, die aktuell eigentlich rund um die Uhr mit angeschlossenen Fahrrädern vollgeparkt sind. Der Bedarf ist da.
Die Radgarage unter dem ZOB ist ein Riesenschritt, der nicht nur Pendlern, die mit dem Fahrrad zum Bahnhof fahren, viel bringen wird. Auch Besucher der Bonner Innenstadt und damit auch der Bonner Einzelhandel werden von den Garagen profitieren. Die Innenstadt wird mit dem Fahrrad besser erreichbar sein, wenn man sein Fahrrad vernünftig und sicher abstellen kann. So schafft der neue ZOB nicht nur ein schönes neues Entree zur Innenstadt für ÖPNV-Nutzer, sondern auch für Radfahrende.
Optimierungspotential für den Fußverkehr
Für den Fußverkehr sehe ich in den Planungen für den neuen ZOB Optimierungspotential. Dies wird deutlich, wenn man sich die Verkehrsplanung ansieht. Es stellt sich die Frage, wie Zufussgehende eigentlich die Mittelinsel des Busbahnhofs erreichen sollen. Zwar gibt es Rolltreppen und Aufzüge runter in Richtung Ladenzeile und Stadtbahn. Dieser Weg wird wohl aber vornehmlich von Menschen verwendet werden, die vom Hauptbahnhof oder der Stadtbahn kommen bzw. dorthin wollen.
Menschen, die in die Innenstadt, also die Fußgängerzone, möchten oder von dort kommen, werden nicht erst eine Etage heruntergehen, um dann wieder auf die Mittelinsel des ZOB hinaufzugehen. Nein, diese Menschen werden – wie auch heute bereits – direkt aus der Fußgängerzone (wohl primär aus der Ecke Gangolfstraße / Maximilianstraße) oberirdisch zum ZOB gehen. Dabei müssen sie sowohl einen Radweg als auch – auf dem Weg zur Mittelinsel – die sehr breite Busspur kreuzen.
In den Plänen sind weder auf dem Radweg noch auf der Busspur Zebrastreifen vorgesehen. Lediglich ein mit einem Umweg verbundener Fußgängerüberweg auf die Rückseite des Maximilian-Centers zu ist geplant. Das erscheint mir für Zufussgehende nicht sehr komfortabel. Es braucht eine möglichst direkte Verbindung von der Mittelinsel in Richtung Gangolfstraße / Maximilianstraße.
Z.Zt. machen die Planungen für den ZOB eher den Eindruck, für Busverkehr optimiert zu sein als für Fahrgäste. Dabei sollten letztere doch im Mittelpunkt stehen. Aus meiner Sicht braucht die Planung bessere Überwege für Zufussgehende von der Mittelinsel in die Stadt hinein. Ansonsten erhalten wir wieder die Situation wie bereits heute: Menschen laufen hektisch zwischen den Bussen hindurch zu den Bussteigen.
Trotz dieser Mängel kann ich für Zufussgehende auch viel Gutes in den Plänen erkennen. Die unwirtliche Rampe hinunter Richtung Stadtbahn macht Platz für eine zeitgemäße und barrierefreie Kombination aus Rolltreppen, Treppen und Aufzügen. Die Mittelinsel wird breit und bietet somit Wartenden ausreichend Platz. Dass die Wesselstraße zur Fußgängerzone werden soll, macht den direkten Fußweg Richtung Münster und Universität angenehmer.
Die Idee einer direkten Zuwegung vom Kaiserplatz aus finde ich auch gut. Der jetzige Zustand mit plattgetrettenem Rasen zeigt eindeutig den Bedarf dafür. Leider fehlt aber auch aus dieser Richtung ein sicherer Überweg hin zur Mittelinsel des ZOB.
Und zu guter Letzt: Es wird ein Dach geben, das vor Regen schützt. Mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen am ZOB ist das ja ein nicht zu vernachlässigender Punkt.
Fazit
Dass die vorgelegten Planungen im Vergleich zum jetzigen Zustand wie ein riesiger Schritt nach vorne wirken, überrascht mich nicht wirklich. Der jetzige Bonner Busbahnhof ist einfach ein Schandfleck. Viel zu lange wurde hier nichts investiert. Es wird Zeit, dass endlich etwas passiert und der Neubau losgeht.
Dass die vorgelegte Planung nicht alles optimal lösen kann, liegt wahrscheinlich an den nun mal doch recht beengten Platzverhältnissen. Mehr Bussteige als jetzt plus Wartepositionen für Busse müssen halt auch irgendwo hin.
Es ist gut und richtig, dass die Stadt nun noch eine Bürgerbeteiligung durchführen möchte. Hoffentlich kann dadurch die Situation für Zufussgehende noch verbessert werden. Im Großen und Ganzen hoffe ich allerdings, dass es keine grundlegenden Änderungen an der Planung mehr geben wird, damit am ZOB endlich etwas passiert und nicht noch mehr Jahre ins Land gehen. Als Eingangstor zur Bonner Innenstadt und insbesondere für die Fahrgäste ist der jetzige Zustand des Busbahnhofs nicht mehr tragbar. Dass bei der Planung auch die Belange des Radverkehrs berücksichtigt wurden und endlich eine große Radgarage in Bahnhofsnähe entsteht, ist sehr erfreulich.
Geschrieben von Martin P.
5 Kommentare
Ausführliche und tolle Anlayse, Danke !
Für eine Bürgerbeteiligung sollte ein maßstabsgerechtes 3-dimensionales MODELL erstellt werden (ein unterer 5-stelliger Betrag hierfür sollte bei den mittleren 8-stelligen Baukosten möglich sein) , dann kann man sich das Ganze besser vorstellen, auch in den verschiedenen Ebenen: eventuelle Fehlplanungen können so eher erkannt und damit vermieden werden. Warum zB es nur Treppen oder Rolltreppen aber keine praktische Rampe mehr geben wird, ist mir nicht ersichtlich. Eine häßliche und unpraktische Planung wie vor dem Bahnhof (Rolltreppen mit Ausgang nicht in Hauptlaufrichtung, beengter Straßenraum….) oder an der Rabinstraße (häßlichstes Parkhaus Deutschlands ?) ist unbedingt zu vermeiden.
Hallo Raimund,
zur Frage Rolltreppe vs. Rampe: Laut Vorlage hat die Verwaltung auch Fahrrampen (wie runter zur U-Bahn) statt Rolltreppen untersucht. Gegenargumente sind laut Vorlage die große Neigung und die langen Fahrzeiten. Ein Plan, wie das Ganze mit Fahrrampen aussehen würde, findet sich in der Vorlage im Ratsinformationssystem. Ich bin grundsätzlich froh, dass der Aufgang in den Plänen breiter und einladender aussieht als z.B. von der Poststraße runter in den Bahnhof. Treppen und Rolltreppen gehen in die gleiche Richtung und es gibt Aufzüge. Gleichwohl fehlen mir da in den Plänen genaue Maße, wie breit z.B. die Treppe wird. Das ist aktuell nicht ersichtlich.
Zum Thema Modell: Ich persönlich finde die Pläne und 3D-Visualisierungen schon recht gut. Vielleicht gibt es ja bei der geplanten Bürgerbeteiligung noch ein paar mehr Visualisierungen aus anderen Winkeln. Mal sehen.
Der jetzige ZOB ist eine Katastrophe für alle, die nicht über die Rampe von unten kommen. Wäre sehr traurigwenn ein Umbau das nicht verbesserte.
Vielen Dank für die gut aufbereiteten Informationen und den Einsatz für die zu Fuß Gehenden.
Hier habt Ihr bereits auf das Problem kreuzender zu Fuß Gehender im Bereich der Bushaltestellen, – zufahrten hingewiesen.
Darüber hinaus halte ich deshalb auch den Bereich für die „Szene“
problembehaftet.
Besser wäre es gewesen, diesen im Grünbereich beim Brunnen anzusiedeln, um eine strikte Trennung zum Busverkehr zu gewährleisten.
Ich kann mir nicht vorstellen, mein Rad am (späteren) Abend am Busbahnhof aus dem „Keller“ zu holen. Egal wie üppig beleuchtet, das wird ein Angstraum. Abgesehen davon, lädt er unbeobachtet zum Fahrradklau ein. Insofern gibt es – wie in der Überschrift verkündet – ein3 Überraschung, aber keine gute.