Ideen / Inspiration

954 km Straßen, 49 km Fahrradstraßen ?

Wie wollen wir unsere Straßen nutzen? Wer hat Vorfahrt? Wer muss vorsichtig sein? Die Umwidmung von Straßen in Vorrangstraßen für Radfahrende ist ein wichtiges Instrument für die Schaffung durchgehende Fahrradrouten. Aber ist das fair?

Weniger als 5% der Bonner Straßenkilometer sind Fahrradstraßen, auf denen Radfahrende Vorrang haben, Autos aber in der Regel auch fahren dürfen. Und knapp 5% werden es erst sein, wenn alle insgesamt 42 neuen Fahrradstraßen markiert sind, voraussichtlich im Sommer 2024.
Natürlich dürfen Radfahrende auch auf den meisten anderen Bonner Straßen fahren, mit Ausnahme der Autobahnen. Allerdings sind die Bedingungen dort oft so, dass Menschen auf dem Rad gefährdet werden und unangenehmen Verkehrssituation ausgesetzt sind. Genau das hält Menschen davon ab, öfter oder auf bestimmten Strecken das Fahrrad statt das Auto zu nutzen. Paradoxerweise könnte es so manche Verkehrssituation entschärfen, wenn mehr Radfahrende unterwegs wären. Aus Studien ist bekannt, dass Autofahrende bei mehr Radverkehr vorsichtiger fahren, als wenn nur ab und zu ein Fahrrad vorbeikommt.

Vor allem Kinder sind als ungeübte Verkehrsteilnehmende einem Risiko im Straßenverkehr ausgesetzt. Eine sichere Infrastruktur, die dieses Risiko minimiert, gibt es nur auf ganz wenigen Straßen. Ist Tempo 50 angemessen, wenn Kinder dadurch gefährdet werden?  Pädagogen und Forschende sprechen sich klar dafür aus, dass Kinder selbständig mobil sind und zum Beispiel den Weg zur Schule zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen. Was ist es uns wert, dass Kinder auf dem Schulweg sicher sind? Wie viele Sekunden oder Minuten Verzögerung für den Autoverkehr ist angemessen, um einen sicheren Schulweg zu garantieren?
Aber nicht nur für Kinder, sondern für uns alle gilt, dass Unfälle vermeidbar sind. Das zeigen Erfahrungen aus Städten wie Helsinki und Oslo, wo flächendeckend Tempo 30 im Stadtgebiet eingeführt wurde. In der Folge sanken die Zahlen verletzter und getöteter Menschen im Straßenverkehr insgesamt stark. Das stellt uns vor die Frage: Was ist wichtiger im Verkehr, Geschwindigkeit oder Sicherheit?

Wenn Baustellen eingerichtet werden, sind Wege oft nicht mehr wie gewohnt nutzbar. Die Verkehrsführung wird geändert, oft sind davon Autofahrende, Radfahrende und Fußgänger*innen gleichzeitig betroffen. Wie kann eine faire Baustellenumleitung aussehen? In vielen Fällen gibt es keine Umleitung für den Fuß- und Radverkehr, oder es müssen lange Umwege in Kauf genommen werden. Wie viele Umwege sind Radfahrenden und Fußgänger*innen zuzumuten, damit der motorisierte Verkehr nicht behindert wird? Wer sollte die kürzesten Wege in einer Stadt haben?

Quellen: Die Länge aller Straßen der Stadt Bonn haben wir der Webseite www.gefahrenstellen.de entnommen. Die Länge der Fahrradstraßen findet sich auf der entsprechenden Seite auf www.bonn.de

2 Kommentare

  • Klara sagt:

    Für die Abwägung wäre auch spannend zu wissen, wie viele Menschen in den letzten Jahren im Bonner Stadtverkehr verletzt oder getötet wurden

  • Alex sagt:

    Der Verkehrsplanungsansatz in Amsterdam ist ein schöne Beispiel, wie man das PKW zwar die Möglichkeit gibt, zu fahren, die kürzeste Wege aber immer für z.B. das Fahrrad reserviert sind. So entstehen Nachbarschaften, die sicher, ruhig, grün und angenehm sind, auch für Kids, und man möchte schon fast nicht mehr mit dem PKW durch die Stadt fahren. Die Notwendigkeit besteht gar nicht mehr.

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