Mobilität muss einfach sein
Gehen wir von einer einfachen Wahrheit aus: Bei mehreren Mobilitätsoptionen in Alltagssituationen entscheiden sich Menschen in der Regel für die Mobilitätsform, die für sie am bequemsten ist. Will man, dass auch das Radfahren eine oft gewählte Option ist, muss man es so einfach wie möglich machen. Umwege, die mehr Zeit erfordern, sind relevante Hindernisse. Daher darf man, nur wenn keine Alternative zur Verfügung stehen, eine Verbindung kappen oder einen Weg umständlicher machen. Zweifelsohne ist es umständlicher, wenn man zukünftig auf dem Weg von Beuel Süd in die Bonner Fußgängerzone zweimal die B56 über- oder unterqueren muss. So soll es aber jetzt kommen.
Die Zahlen der Unfallkommission
Schauen wir uns die Fakten an: Die Kennedybrücke ist laut Unfallkommission ein Unfallschwerpunkt. Der Unfallatlas Bonn (https://unfallatlas.statistikportal.de/) zeigt für die Jahre 2021-2023 jeweils 19, 13 und 14 Unfälle mit Fahrradbeteiligung auf der Brücke zwischen den Kreuzungen mit den Straßen Belderberg auf Bonner Seite und Professor-Neu-Allee/Hermannstraße auf Beueler Seite. Für das Jahr 2024 liegen im Unfallatlas noch keine Daten vor.
2021 | 2022 | 2023 | |
Unfälle mit Fahrrad | 19 | 13 | 14 |
Davon nur Fahrrad | 8 | 5 | 10 |
Davon mit Fußgänger*innen | 2 | ||
Davon mit sonstigen | 1 | 1 | 2 |
Davon mit Pkw | 10 | 4 | 2 |
Davon Kraftrad | 1 |
Nach 19 Unfällen mit Fahrradbeteiligung im Jahr 2021 gab es in den zwei Folgejahren weniger Unfälle. Ob sich dieser Trend zukünftig fortsetzen wird, ist bei der geringen Anzahl der betrachteten Jahre nicht zu beantworten. Die große Mehrzahl der Unfälle fand nicht auf der Brücke, sondern an den Knotenpunkten mit den kreuzenden Straßen auf Beueler und Bonner Seite statt. Erstaunlich ist vor dem Hintergrund dieser Fallzahlen, dass die Fußgänger*innen die am wenigsten betroffene Gruppe bei Unfällen mit Fahrradbeteiligung auf der Kennedybrücke sind. Im zuletzt von der CDU in den Stadtrat eingebrachten Antrag klingt das ganz anders.
Im Schnitt sind in den Jahren 2021 bis 2024 annähernd 2,6 Millionen Radfahrende pro Jahr auf der Brücke gezählt worden. Setzt man das in Relation zu den Unfallzahlen setzt das zumindest ein Fragezeichen an die Signifikanz der beschriebenen Gefahr.
Gefühlte Gefahr und übersehene Lösungen
Aber gefühlt geht es gefährlich auf der Brücke zu. An Spitzentagen nutzen 13.000 Radfahrende und ungezählte Fußgänger*innen die Brücke. Dafür stehen beidseits knapp 5 Meter breite Geh- und Radwege zur Verfügung. Das ist wenig. Wie kann man das Wenige sicherer machen?
Das größte Unsicherheitsgefühl vermittelt die Abfahrt auf der Südseite in Richtung Beuel. Auf Höhe des Brückenforums verengt sich der Weg zugunsten einer Lieferzone und des Rechtsabbiegers in die Hermannstraße. Schon lange gibt es die Forderung, die Anlieferung für das Brückenforum auf die andere Seite der Veranstaltungshalle zu verlegen. Auch ist es nicht verständlich, dass der einspurig von der Brücke kommende Autoverkehr vor der Kreuzung auf drei Spuren aufgeweitet wird. Hier könnte man Fläche für den intensiven Fuß- und Radverkehr umwidmen. Die Zahlen sprechen eindeutig dafür, die Mobilitätsinteressen der vielen Menschen auf der Brücke vor das Individualinteresse des Betreibers des Brückenforums zu stellen. Aber es passiert nichts.
Viele Konflikte im Verkehr entstehen durch Unklarheit der Situation. Auf der Kennedybrücke gibt es keine klare Abgrenzung von Rad- und Gehweg. Lediglich zwei unterschiedliche Grautöne lassen erahnen, wie die Nutzung gemeint ist. Haben diejenigen, die sich jetzt so viel Sorgen um die Menschen auf der Brücke machen, überlegt, ob nicht zuerst eine klare Farbgestaltung, deutliche Linien und Nutzersymbole darauf hinweisen könnten, wie die Strecke zu nutzen ist? So könnte auch für Radfahrende klarer sein, dass man jederzeit mit Gegenverkehr rechnen muss und nicht nebeneinander fahren kann. Fußgänger*innen würden deutlicher sehen, wann sie in den Radverkehr laufen und dass man nicht zu dritt oder viert nebeneinander gehen kann. Eine geschwindigkeitsdämpfende Markierung und Beschilderung für den Radverkehr bei der Gefällestrecke vor dem Brückenforum könnte als erste Sofortmaßnahme bereits erheblich zur Beruhigung der Verkehrssituation beitragen.

Die verlagerte Gefahr
Das größte Problem aber sind die Kreuzungen an den Enden der Brücken. Sowohl auf der Bonner wie auf der Beueler Seite gibt es keine ausreichenden Aufstellplätze für die Menschen, die an der Ampel warten, um die B56 zu kreuzen. In Beuel ist nur Platz für einzelne Fahrräder. Auf der Bonner Seite müsste man den Radverkehr in Richtung Innenstadt auf dem Hochbord zur Ampel über den Rechtsabbieger führen und dann zusammen mit den Fußgängern den Überweg über die B56 nutzen lassen. Auf der anderen Seite stehen sie dann allerdings auf einer schon jetzt intensiv genutzten Fläche, auf der der Radverkehr aus Richtung Bertha-von-Suttner-Platz und Friedrichstraße zusammenlaufen.
Zwingt man jetzt die Radfahrenden, die momentan die Brücke gegen die Hauptrichtung nutzen – das sind auf der Südseite ca. ein Drittel und auf der Nordseite 20% der gezählten Räder – dazu, zweimal die Straße zu überqueren, kommen je nach Jahreszeit täglich 2.000 bis zu 6.000 Überquerungen dazu. Es ist uns völlig unklar, wie das funktionieren soll. Seit mehreren Jahren ist im Gespräch, dass man die Kreuzungen an den Brückenabfahrten entschärfen will. Bis heute liegt jedoch noch keine Vorplanung vor. Jetzt will man diese Kreuzungen mit dem Argument der Sicherheit mit noch mehr Querungsverkehr belasten. Die Logik dahinter ist nicht zu verstehen. Die Sache ist in unseren Augen unüberlegt und höchst riskant.

Warum macht der Einrichtungs-Radverkehr die Sache nicht wirklich besser?
- Die Problematik an den Kreuzungspunkten. Der Einrichtungsradverkehr würde nicht zu einer Verringerung der Unfallgefahr würden, sondern die Unfallgefahr zu den Kreuzungspunkten vor und nach der Brücke verschieben.
- Einrichtungsverkehr würde weder das Aufkommen an Radfahrenden noch an Fußgänger*innen reduzieren. Auf der Brücke weichen nicht nur Radfahrende auf den Gehweg aus, auch Fußgänger*innen nutzen den Radweg, um nebeneinander zu laufen oder anderen Fußgänger*innen auszuweichen. Einrichtungsverkehr kann daher die gefühlten Konflikte mit dem Fußverkehr nicht lösen.
- In der Presse wird vielfach von „rasenden“ Radfahrenden gesprochen, die von der Brücke „heruntergeschossen“ kommen, v. a. auf der südlichen Seite vor dem Beueler Brückenforum. Selbst wenn der Radverkehr zukünftig nur noch auf der Südseite von der Bonner zur Beueler Seite fahren dürfte, würde sich nichts daran ändern, dass Radfahrende aufgrund des Gefälles mit Schwung von der Brücke herunterkommen.
- Die kritischste Stelle der Kennedybrücke ist der unangemessen enge Fuß- und Radweg vor dem Brückenforum. Einrichtungsradverkehr macht diese Stelle nicht breiter und würde eher noch dazu führen, dass die Anzahl der Radfahrenden, die mit höherer Geschwindigkeit von der Brücke kommen, steigt.
- Überholmanöver, die die CDU in ihrem Antrag als „riskant“ bezeichnet, würde es selbst bei einem Einrichtungsverkehr geben. Zwar würde der Gegenverkehr entfallen, aber eine höhere Anzahl von Radfahrenden in einer Richtung bedeutet, dass schnellere Verkehrsteilnehmende langsamere überholen würden.
Politik, die nicht zu Ende gedacht ist
Für ca. ein Viertel der Radfahrenden wird sich nach diesen Beschlüssen die Fahrt über den Rhein deutlich schwieriger gestalten und die Leichtigkeit des Radverkehrs reduzieren. Dem stehen fragliche Sicherheitsgewinne und neue Probleme an den Kreuzungen gegenüber. Alternativen wie die klarere Gestaltung der Brückenüberfahrt und die Erweiterung der Flächen am Brückenforum werden nicht diskutiert. Ein politisches Handeln, das aus einer Flächenknappheit mit engen Begegnungssituationen zuerst nach Verboten ruft, verstellt den Blick auf Lösungen, die allen gerecht werden. Wir halten eine offenere Prüfung auch gestalterischer Maßnahmen für notwendig, um die Leichtigkeit des Verkehrs und ein rücksichtsvolles Verhalten zu erleichtern. Aber: Es wird auf Dauer an dieser Stelle keine einfachen Lösungen geben, daher ist es an der Zeit, diesen wichtigsten Verkehrsweg inklusive der Kreuzungen an beiden Enden grundsätzlich neu zu gestalten. Diesen Auftrag sollte die Politik der Verwaltung nochmals und mit Nachdruck geben.
geschrieben von Steffen
Ein Kommentar
Die Planer*innen und Kritiker*innen sollten gezwungen werden, einen Monat lang täglich über die Brücke zu radeln…