Seit dem Beschluss des Radentscheids am 4. Februar 2021 liegt der Ball im Feld der Verwaltung der Stadt Bonn, welche die beschlossenen Ziele zügig umzusetzen hat. Das heißt, die Verwaltung muss ein zusammenhängendes Radwegenetz planen, neue Radwege bauen, Kreuzungen und Einmündungen nach den im Radentscheid beschlossenen Standards sicher umgestalten, neue Fahrradabstellmöglichkeiten einrichten und dies alles transparent kommunizieren. Das ist die Rechtslage. So haben es über 28.000 Bonner:innen mit ihrer Unterschrift gefordert und 87% des Hauptausschusses der Stadt Bonn mit den Stimmen von Grünen, CDU, SPD, Linken und VOLT beschlossen.
Dieser Beschluss ist von grundlegender Bedeutung für Bonn. Der Radentscheid beinhaltet eine grundsätzliche Umgestaltung des Verkehrsraums der gesamten Stadt. Die Stadt wird sich fundamental ändern, wenn geschützte Radwege statt aufgemalter Radstreifen und Schutzkreuzungen statt Angsträume das Stadtbild prägen. Dass wir Bonner:innen, die potentiellen Nutzer:innen dieser Infrastruktur, ungeduldig sind und es kaum erwarten können, endlich diese tollen Veränderungen zu sehen, liegt in der Natur der Sache.
Aber wie steht es aktuell um die Umsetzung? Was hat die Stadt in den ersten vier Monaten nach der Entscheidung auf den Weg gebracht? Zugegeben fällt es uns nicht leicht, das wahrzunehmen, denn es gibt (natürlich) noch keine Umsetzungen, die nutzbar sind. Auch haben die Gespräche zwischen der Stadtverwaltung und unserer Bürgerinitiative erst schleppend begonnen. Wir haben uns vorgenommen, den Prozess im Sinne der 28.000 Unterschreibenden konstruktiv zu begleiten. Hier sind unsere ersten Beobachtungen und Einschätzungen.
1. Strukturen
Das Ziel eines Mobilitätswandels und einer sehr guten Fahrradinfrastruktur ist groß. Dafür muss die Verwaltung entsprechend aufgestellt und finanziell gerüstet werden. Die Haushaltsmittel sind also eine wichtige Basis. Darüber wird verhandelt. In der Presse lesen wir, dass viele neue Stellen auch und gerade für die Umsetzung des Radentscheids eingeplant sind. Das ist gut. Der Haushalt muss beschlossen und von der Bezirksregierung genehmigt werden. Dann gilt es, Planer:innen und Umsetzer:innen zu finden, die die Arbeit aufnehmen können. Das alles braucht Zeit und wird kaum in 2021 komplett erledigt sein. Darauf zu warten, ist nach dem beschlossenen Radentscheid aber zu wenig.
2. Erste Maßnahmen
Mit dem Radentscheid wird die Verkehrsplanung grundsätzlich umpriorisiert. Radfahrende und Fußgänger:innen stehen im Fokus. Dies kann schon jetzt bei der Umsetzung der „normalen“, regelmäßigen Instandhaltungsmaßnahmen berücksichtigt werden. In der Gruppe der Aktiven im Radentscheid haben wir über das gesamte Stadtgebiet Vorschläge gesammelt, wie man mit wenig Aufwand schon eine Verbesserung für den Radverkehr erreichen kann. Wir bieten unsere Ideen, die aus der täglichen Nutzung der Infrastruktur entstanden sind, der Stadt an und versuchen dazu mit ihr ins Gespräch zu kommen. Die Stadt sollte diese Vorschläge übernehmen um zügig das Radfahren an diesen Stellen sicherer und angenehmer zu machen. Nur wenn das geschieht, werden die Bonner:innen vermehrt das Rad nutzen.
3. Laufende Projekte
Uns ist bewusst, dass die Stadt Bonn in den letzten Jahren bereits Verbesserungen für den Rad- und Fußverkehr geschaffen hat. Im Programm „Emissionsfreie Innenstadt“ sind Radrouten, Fahrradparkhäuser und Umsteigestationen kurz vor der Umsetzung – wenn die aktuellen Hindernisse sich ausräumen lassen. Aber das einfache Zuordnen von nun bereits beschlossenen Planungen zu den Zielen des Radentscheids wird nicht funktionieren. Der Radentscheid ist ein großer und weitreichender Beschluss. Wir sollten ihn auch groß denken. Die bisherigen Dimensionen stimmen nicht. Die Umsetzung des Radentscheids verlangt mehr. Die Maßstäbe des Radentscheids müssen ab jetzt bei allen Kanalarbeiten, bei jeder Schlaglochreparatur und jedem Gullideckel mitgedacht werden, sonst können die Ziele nicht erreicht werden. Alle laufenden Planungen und noch erreichbaren Umsetzungen im Straßenbau sollten auf die beschlossenen und damit seit Februar gültigen Standards angepasst werden. Wo immer eine Straße geöffnet wird, um z.B. einen Kanal zu erneuern, sollte anschließend nicht der vorherige Zustand wieder hergestellt werden, sondern der Raum für Fußgänger:innen, Radfahrende, sowie fahrende und abgestellte Autos entsprechend der Ziele der Mobilitätswende und des Radentscheids neu überdacht werden. Jede Einmündung und jede Kreuzung, die betroffen ist, muss schon jetzt gemäß der Maßstäbe des Radentscheids geplant und umgestaltet werden.
4. Fahrradnetzplanung
Die Planung eines zusammenhängenden Radentscheid-konformen Radverkehrsnetz (Ziel Nr. 1 des Radentscheids) muss jetzt zeitnah beginnen, sonst fehlt sie als Basis für die Umsetzung in den kommenden Jahren. Eine bloße Übernahme vorhandener Netzplanungen wird diesen Anforderungen des Radentscheid-Beschlusses nicht gerecht. Aus Stückwerk muss jetzt ein zusammenhängendes Großprojekt für Bonn geschaffen werden. Die bestehenden Pläne sind oft zehn Jahre alt und älter. Sie wurden unter einer anderen Zielsetzung und mit einem anderen Bedarf geplant und müssen aktualisiert werden. Wir sind davon überzeugt, dass dieser erste wichtige Schritt zeitnah ausgeschrieben werden muss. Unter den Aktiven des Radentscheids planen wir aktuell im Rahmen eines s.g. Mapathons unsere Vorstellungen eines zusammenhängenden Radwegenetzes aufzuzeigen.
5. Bestehendes nutzbar halten
Ziel 6 des beschlossenen Radentscheides beinhaltet, die Infrastruktur nutzbar zu halten.
So wurde mit dem Radentscheid die Prioritätenverschiebung im Ordnungsamt hin zur klaren Fokussierung auf Rad- und Gehwege bei der Parkraumüberwachung beschlossen. Das ist jetzt als geltendes Recht durchzuführen. Dies muss auch ein konsequentes Umsetzen von falschparkenden Fahrzeugen zur Nutzbarhaltung der Rad- und Gehwege einschließen.
6. Zusammenarbeit
Nachdem 28.000 Bürger:innen unsere Initiative unterstützt haben, sehen wir uns als Interessensvertreter in dieser Sache und wollen den gesamten Prozess kritisch und konstruktiv begleiten. Auch wenn unter den Aktiven einiges an ausgesprochenem Fachwissen vorhanden ist, sind die Fachleute, die vor dieser großen Aufgabe stehen, im Stadthaus. Wir bieten gerne an, unsere Woman- und Manpower bei diesem Großprojekt Radentscheid miteinzubringen. Wir, die Nutzer:innen der Infrastruktur, wissen an welchen Stellen in Bonn es für den Fuß- und Radverkehr knirscht. Jede Gefahrenstelle und jeden Falschparker:innen-Hotspot kennen wir. Dieses Fachwissen darf gerne genutzt werden. In der Zusammenarbeit von Fachverwaltung und den aktiven Bürgern sehen wir eine große Chance für unsere Stadt. Wir bieten an unser Wissen, unsere Ideen, unser Netzwerk und unsere Kommunikationsmöglichkeiten zu nutzen. Darum möchten wir einen stetigen Austausch etablieren um zusammen mit der Stadtverwaltung die Verkehrswende im Prozess zu beschleunigen, damit möglichst bald alle Bonner:innen das öffentliche Leben in dieser großartigen Stadt noch mehr genießen können.
Wir werden Euch weiter auf dem Laufenden halten und unsere gemeinsame Sache bestmöglich unterstützen.
5 Kommentare
Liebe Leute vom Radentscheid,
ich freue mich sehr über Euer Engagement für den Radverkehr in Bonn! Ich hoffe, dass ihr nicht anfangt alles neu zu planen, statt vorhandene Ideen weiterzuentwickeln. Als ehemalige Fahrradbeauftragte, die seit Anfang des Jahres Rentnerin ist, bin ich gerne bereit, euch weiterzuhelfen. Falls Interesse besteht, meldet Euch gerne!
Mit freundlichen Grüßen
Regina Jansen
Hallo Rad-Entscheider in Bonn!
Im Rückenwind des ADFC sehe ich die ersten Entwürfe zu neuen protected Bike Lanes (PBL) in Bonn. Ein einseitigen Zweirichtungsradweg in der Kölnstraße, wie er auf Seite 42 gezeigt wird, halte ich für gefährlich.
Linksabbiegende Autofahrer können die Radfahrer, welche parallel zu ihnen fahren, nicht rechtzeitig sehen. Da sind Unfälle vorprogrammiert. Man sieht zwar die durch gezogene Linie, aber irgendwann wird man Linksabbiegen wieder erlauben müssen und dann herrscht Chaos. Besser ist der Entwurf der Oxfordstraße mit je einem Radweg rechts und links. Unter diesem Standard sollte man keine PBLs bauen.
Außerdem: Bepflanzungen in Tretlagerhöhe (vermutlich in Betonkübeln) sind gefährlich für Radfahrer und Autofahrer. Solche Konstruktionen führen die Idee des PBL ins Absurde. Man möchte gerne eine grüne Stadt und trotzdem viel Platz für sicheres Radfahren. Das funktioniert nicht. Man möchte sich gar nicht vorstellen, was bei Kollisionen mit den Betonkanten passiert. Wenn man ein Radweg sichern will, geht das nur mit einer Leitplanke in geeigneter Höhe.
vielen Dank für Lesen
Bernhard Kraft, Königswinter
Hallo miteinander,
ja wer schrieb diesen Kommentar? Laut Wikipedia ist ein Kommentar im Journalismus ein Meinungsbeitrag zu einem Thema, der den Autor namentlich nennt.
Ich nenne ja auch hier meinen Namen…
Es grüßt freundlich
Klaus Schmitz, Küdinghoven
Hallo Klaus, unser Blog ist keine Zeitung. Unser „Kommentar“ also auch nicht als Kommentar in diesem Sinne zu verstehen. Der Beitrag ist als Kommentar der Aktiven des Radentscheids zu verstehen. Einen Teil unserer Aktiven findest du auf unser Seite „Über uns“: http://www.radentscheid-bonn.de/ueber-uns/
Viele liebe Grüße.
Wie sieht es denn mit der Umsetzung aus? Von politischem Willen kann man sich nicht kaufen
Fahrradständer: Völlig unzureichend im Bonner Zentrum (Friedensdtrasse) und Beuel. Da könnte man doch schnell etwas machen
Sichere Radachsen, z.B. Duisdorf zum Rhein. Sowas geht hier in Bonn im Schneckentempo vorwärts, da hat Tesla währenddessen eine Fabrik gebaut oder ist in China eine Stadt entstanden. Bitte mehr Tempo in der Verwaltung!